Elterntrennung – Trennungskind
Von Alternativen & Chancen
Ich wette mit dir! Du bist selbst Scheidungskind? Oder steckst mit deinem Partner in der Krise? Oder in deinem Umfeld hat sich erst neulich wieder ein Elternpaar getrennt? Trennung ist heute allgegenwärtig. Leider. Denn Leidtragende sind die Kinder. Ich lade dich ein, dich mit diesem wichtigen Thema auseinanderzusetzen, denn oft lässt sich Trennung vermeiden – oder wenigstens so gestalten, dass das Leid des Kindes begrenzt und in Liebe aufgefangen wird.
Ein Tabu-Thema? Vielleicht. Dein unvorstellbarer Alptraum, als ihr gemeinsam der Geburt eures Bauchwunders entgegenfiebertet? Oh ja.
Die Rede ist von der Trennung vom Partner, wenn ein Baby da ist – oder bald kommt.
Dann bricht eine Welt zusammen. Und man schämt sich.
Ausgeträumt.
Und dein armes Kind! Dass es so kommt, hast du nie gewollt…
Aber ich möchte dich erst einmal trösten: Ihr seid nicht allein! Mehr noch: Trennung ist eine realistische Alternative. Und kann eine Chance zum Neuanfang für alle sein!
Ich wollte doch immer eine Familie!
Das verstehe ich voll und ganz! Jeder von uns malt sich seine Zukunft aus, hat Ideale, die er sich zum Ziel macht, weiß genau, wie es bitte bitte NICHT laufen soll. Denkt an die eigene Kindheit und will verhindern, dass die eigenen Kinder genau dasselbe durchmachen müssen.
Wir denken, wir könnten alles planen, das Schicksal in die „richtige“ Richtung schieben. Denken, wir wüssten, was richtig und was falsch ist, welche Lebensweise nachzuahmen und welche unbedingt zu vermeiden ist. Aber was John Lennon in seinem Song „Beautiful Boy“ bereits feststellte:
Familienideal: Vater – Mutter – Kind
Ideale sind immer konstruiert und können sich jederzeit ändern, wenn du bereit bist, dich zu öffnen. Das Ideal einer dreiköpfigen Familie ist so oder so ein westliches Phänomen, wie ich schon in meinem Bericht zur bedürfnisorientierten Tagesmutterbetreuung dargelegt habe.
Ein Kind braucht nicht „einen Mann und eine Frau“ als Eltern. Es braucht mindestens EINE enge Bezugsperson, die konstant in ihrem Leben vorhanden ist. Enge Bindungen kann ein kleines Kind aber zu bis zu fünf verschiedenen Personen aufbauen – wusstest du das? Die Basis einer gesunden Kindesentwicklung ist also insbesondere die Konstanz seiner engsten Bindungsperson(en).
Der Trend zur Trennung
Die schuldlose Trennung war der Startschuss für eine Welle von Scheidungen ab den 1970er Jahren. Damit war die Möglichkeit geschaffen, sich ohne die strafenden Blicke der Gesellschaft einer Beziehung zu entledigen, die einen in den emotionalen Abgrund zu reißen drohte.
Ein Gewinn für die Freiheit, gerade von unterdrückten Frauen und Müttern, der jedoch bis jetzt den Beigeschmack der Beliebigkeit und Austauschbarkeit von Liebesbeziehungen mit sich trägt. Eine Trennung wird dabei meist hauptsächlich unter dem Aspekt der Liebesbeziehung betrachtet. Das Kind spielt erst dann eine Rolle, wenn es darum geht, WIE ein Leben nach der Trennung gestaltet wird.
Dabei sollten wir uns gut vor Augen führen, was eine Trennung der Eltern für ein Kind tatsächlich bedeutet.
Und das Kind?
Das Kind wird nicht gefragt, es wird in die Situation hineingespült. Es hat mit der Elterntrennung genau genommen rein gar nichts am Hut. Welche Auswirkungen Elterntrennung auf die Kinder hat, können wir nur erahnen. Im schlimmsten Fall kann eine Trennung mit verantwortlich sein für einen aus der Bahn geworfenen Lebenswandel des Kindes. Im besten Falle sind die Auswirkungen sehr gering.
Ein Kind kommt mit vielen widrigen Lebenssituationen zurecht und je nach Resilienz, d.h. verschiedenen Faktoren, die das Kind seelisch stärken, kann eine Trennung das Kind mehr oder weniger stark verunsichern. Wichtig ist in jedem Fall, dass dem Kind Sicherheit vermittelt wird und die Eltern – ob getrennt oder nicht – miteinander kommunizieren und nach Lösungen für ihre (eigenen und gemeinsamen) Konflikte suchen.
Problematisch wird es, wenn das Kind zum Konfliktlöser wird und sich für die Situation verantwortlich fühlt! Es hat nach einer Trennung genug damit zu tun, den neuen Alltag zu verstehen und sich mit der veränderten Lebenslage zurechtzufinden.
Trennung als letzte Option!
Wir sind uns einig, dass Trennung immer der letzte mögliche Ausweg sein sollte.
Auf der einen Seite kann durch eine „gute Scheidung“ vieles gerettet und abgefedert werden, was das Trennungskind durch die Verrückung seiner Welt durchmacht. Doch kann keine „gute Scheidung“ eine gute Familienbeziehung ersetzen oder ihr auch nur nahe kommen.
Wenn auch du ein Scheidungskind bist, wirst du das obige Zitat mit Sicherheit unterschreiben können.
Elizabeth Marquradt hält in ihrem Buch „Kind sein zwischen zwei Welten“ fest: „Die Scheidung ist der Anfang, nicht das Ende“. Der Moment der Trennung mag überwältigend sein für viele Kinder, andere merken es hauptsächlich durch die vermehrte Abwesenheit eines der beiden Elternteile. Fest steht aber, Trennung bedeutet auch im weiteren Erleben des Kindes Teilung und Umstrukturierung, und diese „halten die Scheidung auch noch viele Jahre lebendig“.
Wenn Kommunikation die Elternbeziehung kittet
Es ist daher mein dringlicher Appell an dich, zunächst alles daran zu setzen, an eurer Beziehung zu arbeiten, und damit auch an euch selbst. Besonders schöne Berichte zu Möglichkeiten der elterlichen Kommunikation findest du auch bei meiner Blogger-Kollegin vom Familienuniversum, z.B. in diesem Artikel hier zu den 6 üblichen Fehlern in der Eltern-Kommunikation!
Eigenliebe und Kommunikation sind zwei schwere und gewichtige Grundpfeiler einer jeden Form von Beziehung, die wir eingehen. Wenn diese nicht stabil sind, werden sie es in einer neuen Beziehung vermutlich auch nicht sein. Es ist also unausweichlich, dass du früher oder später an diesen Punkten arbeitest.
Eine Hebamme sagte einst zu einer Freundin von mir:
Will heißen, da müsst ihr durch, das müssen alle!
Hör‘ dich ruhig mal um. Nicht oberflächlich, beim Smalltalk kommt das nicht raus. Nein, erzähle einfach mal ganz frei von euren Problemen und dass es dir dreckig geht – und du wirst überrascht sein, dass auch die noch so heile Welt der Vorbild-Mama vor deinen Augen zerbricht und sie dir vielleicht sogar unter Tränen von ihren Paarkonflikten, Überforderungen und zerplatzten Traumvorstellungen erzählt. Denn Babys bringen die persönlichen Problemlagen und Themen (Stichwort „inneres Kind“) zum Vorschein – immer! Da muss man durch.
Konflikte als elementarer Bestandteil von Beziehung
Marquardt unterstreicht, dass Konflikte in einer Beziehung dazugehören, dass diese nur selten so gravierend sind, dass sie das Wohl einer oder mehrerer der Beteiligten bedrohen. Sie beschreibt Konflikte als „Begleiterscheinung der umfassenden Bemühungen des Paares, ihre beiden Welten miteinander in Einklang zu bringen (…). Es entstehen Konflikte, weil sie gemeinsame Interessen haben, die sie unterschiedlich wahrnehmen“. Über die Auseinandersetzung mit ihrem Konflikt suchen die Partner schließlich, die Unterschiede zu harmonisieren.
Und mehr noch: Über Konflikte in einer Beziehung kommen unterschiedliche Sichtweisen zutage, die wiederum dem Kind in der Entwicklung eines vielfältigen Charakters zugute kommen, so Marquardt.
Nun kommt es auf die Qualität der Konflikte an, oder anders herum: Die Qualität der Kommunikation. Und damit komme ich auf den oben genannten Punkt zurück, dass ein Thema, welches du mit dir trägst, dich so lange begleitet, bis zu es bearbeitest. Denn auch nach einer Trennung kann man Konflikten mit dem anderen Elternteil des Kindes nicht entkommen:
Kommunikationsschwierigkeiten, die vorher bestanden, bestehen nach wie vor und aufgrund des Kindes kann man ihnen auch weiterhin nur sehr schwer aus dem Weg gehen.
Einer „guten Scheidung“ fehlt es an Konflikten
Ja, richtig gehört. Was eine sogenannte „gute Scheidung“ ist, ist die Reduktion von vorher dagewesenen, offenbar unlösbaren Konflikten auf ein Minimum. Um des lieben Frieden Willens.
Marquardt nimmt auch hier ihren LeserInnen die Scheuklappen, und arbeitet einen sehr interessanten Punkt heraus: Wenn wir uns nach einer Trennung nicht gerade pausenlos gegenseitig beschuldigen und die Haare ausreißen (= ganz schlechte Scheidung!), vermeiden wir i.d.R. Konflikte, indem sich unsere Lebenswelten auseinander differenzieren.
Das heißt, dass Konflikte nicht gelöst sondern umschifft werden.
Das wiederum heißt, dass für die beteiligten Kinder ein Lernprozess ausgelassen wird und diese nun zwischen zwei Berührungspunkte-armen Welten hin- und herschiffen müssen. Dass sie die Konfliktebene, die es in einer Beziehung, in der man um Harmonisierung gemeinsamer Interessen bemüht ist, gibt, nicht miterleben dürfen.
Trennungskinder: Der Identitäten-Schmelztiegel
Stattdessen entsteht nun ein Aspekt, unter dem ein „Trennungskind“ sehr stark leidet: die Übertragung der nicht mehr ausgetragenen Konflikte auf das Kind. Dieses übernimmt nun die volle Verantwortung für das in Einklang Bringen der beiden Welten, in die die Eltern sich nach einer Trennung begeben.
Ein „Trennungskind“ kann sich nicht mehr zurücklehnen und sich rücklings in die weichen Kissen einer intakten Elternbeziehung werfen in der Gewissheit, dass ihr Lebensrahmen hält und die elterlichen/ familiären Konflikte immer irgendwie von den Eltern bewältigt oder selbstreflektiert begleitet werden.
Ein Trennungskind muss die Brücke bilden zwischen diesen beiden Lebensrealitäten, die durchaus Bereicherung in das Leben eines Kindes bringen, aber es ebenso zerreißen können. Hierzu zählen auch weitere Lebenswandel der Eltern wie Umzug, neue Kinder, neue Partner usw.
Bei JEDEM Schritt in und aus der Paarbeziehung muss das Kind also mitgedacht werden. Konkret: die Bedürfnisse des Kindes müssen losgelöst von den eigenen mit der Partnerschaft verbundenen Bedürfnissen gesehen werden! Damit sage ich nicht, dass dies ein zwingendes Argument gegen eine Trennung ist, damit sage ich nur: Berücksichtige immer als erstes und letztes dein Kind – egal welchen Schritt du tust. Mach dir klar, was DU bist und was DEIN KIND ist – denn für DEIN KIND bist du weiter in Beziehung zu deinem Ex-Partner, (i.d.R.) nicht für dich selbst. Und bedenke, es gibt viele Schattierungen zwischen einer zerbrechenden Ehe und einer Trennung.
Konstanz & Stabilität = Zuhause = Sicherheit
Man kann nun meinen, ein Kind, das nach einer Trennung in zwei Haushalten zu Hause ist, mag sich glücklich schätzen. Tendenziell ist es wünschenswert und wichtig, dass ein Kind von beiden Eltern weiter geliebt und umsorgt wird. Trotzdem ist nicht zu verkennen, dass je ein Standbein auf einer Lebensrealität fußt. Das ist ein Balance-Akt und Marquardt bezeichnet die beiden Zuhause gar als „Schattenheime“, als Orte, die jeweils nur der Schatten des jeweils anderen Zuhauses sind. Somit fühlen sie sich de facto an keinem der beiden Orte zu Hause, und nirgendwo psychisch (oder gar physisch) sicher.
Es ist also keinesfalls eine Garantie für seelische Unversehrtheit, wenn das Kind zu gleichen Teilen in zwei Haushalten aufwächst. Ich persönlich halte es als enorm wichtig, dass mindestens ein Zuhause von Konstanz und Stabilität geprägt ist. Das bedeutet die physische Umgebung, aber auch die seelische Stabilität der Elternperson und der „Restfamilie“, die dort wohnt. Häufig wechselnde Partner und Wohnungen und Konkurrenzgefühle zu Halb- und Stiefgeschwistern können zusätzliche Unsicherheit in das Zuhause-Konstrukt des Kindes bringen.
Nimm der Option „Trennung“ den Schrecken
Ich schreibe „können“ – weil wie im Leben so viel von so vielem abhängt! Ein Kind, das beispielsweise mit einer starken Mutter-Persönlichkeit um die Welt reist und somit „nur“ sie als Konstante in seinem Leben hat, kann trotzdem ohne weiteren Schaden davon kommen und von dieser Lebensweise durchaus profitieren, wie es Blogs wie stark und alleinerziehend und Freileben vormachen. Wenngleich hier eine andere Abweichung entstehen kann: Nämlich die fehlende Loslösung aus einer Mutter-Kind-Symbiose, die sich zunehmend aus dem Kompensieren des fehlenden Partners („Partnerersatz“) nährt – hierzu hat das_Gefühlskind ein paar tolle Beiträge, die es unbedingt lohnt anzusehen, um eine nicht gelöste Symbiose bei sich selbst zu erkennen, z.B. diesen Beitrag mit einem kurzen Selbsttest hier.
Nun gibt es eben auch viele Paare, die in einer Situation sind, in der die Differenzen nicht überwindbar scheinen, bzw. in der mindestens ein Elternteil pathologische Eigenschaften mit sich trägt, die eine enge Elternbeziehung unmöglich machen.
Manchmal geht es subjektiv – oder objektiv – nicht anders! Manchmal ist Trennung die einzig richtige Entscheidung. Manchmal ist sie die einzige Möglichkeit!
Noch nicht sicher?
Lies dir die letzten Absätze nochmal durch, nimm eine Tasse Tee und fühle in dich hinein. Horche auf dein Herz. Sieh auf deine Kinder, sieh auf eure Zukunft, sieh auf dich. Und wenn du immer noch der Meinung bist, eine Beziehung und die weitere Auseinandersetzung mit dem anderen Elternteil belastet dich oder euer Kind ungemein und werden vermutlich zu keiner Lösung als Paar führen, dann lies hier weiter.
Dann ist Trennung für euch eine Option.
Nun dann, lass uns einmal die negative Konnotation von „Trennung“ dafür ablegen. Verstauen und verbannen. Und der nackten Tatsache begegnen.
Was kann eine Trennung für dich und deinen Partner bedeuten?
Wenn du dich für die Trennung entscheidest, und alle vorherigen Versuche, durch Selbstreflexion, Kommunikation und vielleicht sogar Paartherapie nicht von Erfolg gekrönt waren, sieh nach vorne.
Selbstzweifel, Schuldvorwürfe und Pessimismus sind, wenn man in ihnen verharrt, nicht hilfreich. Tatsächlich bin ich der festen Überzeugung, dass die Dinge dann geschehen, wenn es ihre Zeit ist. Wenn du nicht eher und nicht anders gehandelt hast, dann war es, weil du es nicht anders konntest. Mit diesem Wissen solltest du dich nun der Zukunft zuwenden.
Ein Neuanfang… auch für die Liebe?
Die Macht der Gedanken ist unendlich (ich kann für positive Affirmationen unbedingt Louise L. Haye empfehlen!). Was kannst DU positives aus dieser Situation ziehen? Denk‘ es , und es wird dir widerfahren.
(Ich wünsche dir viel Kraft, Lebensfreude und eine glückserfüllte Zukunft!)
Wenn dieses Eltern-Sein weiterhin aktiv gestaltet wird, führt nichts an mindestens einer grundlegenden Kommunikation miteinander vorbei. Sieh es als Chance: Euer Kind kann so weiterhin von eurer konstruktiven Kommunikation profitieren – ihr seid Vorbild und der Fels in der Brandung für eure Kinder.
Was du bei einer Trennung auf jeden Fall beachten solltest
1. Eine Entscheidung ist besser als keine
Die Antennen deines Kindes erfassen jede Unsicherheit, registrieren jede Träne, wittern jede Verzweiflung. Entscheidungen kann man treffen, um dann wieder neue Entscheidungen zu treffen. Hauptsache du verharrst nicht in einem Stillstand und einer Warteposition, in der du nur noch aushältst. Deine Entscheidung kann sein, dass ihr euch zunächst räumlich trennt, oder dass ihr eine Paartherapie unternehmt. Vielleicht entscheidest du auch, erst einmal zu dir selbst zu finden. Vielleicht brauchst du auch noch etwas Zeit für eine Entscheidung.
Aber hab keine Angst vor Entscheidungen, sie geben dir das Zepter deines Lebens zurück in die Hände und vermitteln deinem Kind Sicherheit in dem Lebensweg, den es mit dir geht!
2. Ehrlichkeit: Trennung dem Kind gegenüber kommunizieren!
Wie soll ich es meinem Kind nur sagen?
Das Bild der liebevollen, entspannten Eltern, die gemeinsam und voller Zuversicht die Kinder ins Wohnzimmer rufen und zu aller Zufriedenheit die aktuelle Situation und die weitere Zukunft klären, ist sicher weder leicht noch die Normalität in Trennungsfamilien.
Dennoch sollte dir bewusst sein, dass Kommunikation wie immer das A und O ist!
Dein Kind erschnuppert früher oder später, dass die Dinge sich geändert haben. Und wenn du ihm die ehrliche Kommunikation darüber verwehrst, wird es für sich alleine versuchen, dieses neue Bild für sich einzuordnen.
Lass dein Kind damit nicht alleine! Es ist wichtig, dein Kind altersgerecht mitzunehmen in diese Entwicklungen. Achte dabei auf Sachlichkeit und Einfühlsamkeit dem Kind gegenüber!
3. Jedes Gefühl hat seinen Platz, die Wut, die Trauer, die Sehnsucht
Wahrscheinlich bist du niedergeschlagen, voller Schuldgefühle oder voller Wut dem Menschen gegenüber, der dir mal ewige Treue geschworen hat. Jedes Gefühl hat seinen Platz! Nimm es wahr, aber lass es dann auch wieder frei.
Sonst fesselt es dich dauerhaft und nimmt deinem eigenen Leben die Leichtigkeit.
Ein adäquater Therapeut für deine eigenen Ängste, Hassgefühle oder finanziellen Sorgen ist übrigens nicht dein Kind – bürde ihm diese Verantwortung nicht auf! Trotzdem darf dein Kind auch mal deine Trauer sehen und mit dir gemeinsam trauern – bleib authentisch, aber belaste dein Kind nicht zusätzlich!
4. Seht die Trennung als Chance für euch selbst
Am Ende bedeutet eine Trennung, ein Abschied, immer auch ein Neuanfang. Die Chance, dass jeder für sich zu sich selbst zurückfinden kann. Sich neu entdecken kann. Neue Lebenskraft tanken.
Wenn es euch gut geht, ist das eine sehr gute und wichtige Voraussetzung für das Wohlbefinden eures Kindes. Ihr könnt euch neu erden und mit dem Abstand vielleicht sogar eine neue, andere, reflektiertere Elternbeziehung aufbauen und eurem Kind so eine liebevolle und sichere Basis bieten, auf dieser lebendigen Erde gut zu gedeihen (siehe Punkt 7).
5. Klärt eure Situation und versucht, faire Regelungen für alle zu finden
Die erste Zeit nach einer Trennung bedeutet oft Orga, Orga, Orga.
Absprachen, Übereinkünfte, Aushandeln, Behörden-Krams.
Und am Ende liegen sich beide in den Haaren, sind damit unglücklich, trotzdem reiten sie sich weiter rein, und mindestens einer steht schließlich finanziell schlecht da.
Auch wenn es oft so kommt – es MUSS so nicht kommen. Wenn ihr das Ziel vor Augen behaltet und euch an den Menschen erinnert, mit dem ihr einst in Liebe eure Kinder bekommen habt, fällt es vielleicht einfacher, den Weg dahin friedlich und respektvoll zu gestalten.
Am Ende geht es vor allem um die Liebe und Sicherheit für das Kind. Lasst das Sorgerecht also nicht zum Druckmittel werden und die finanziellen Details zum Kriegsurteil mutieren. Am Ende wollt ihr beide nur das beste für euer Kind und habt jeweils auch Angst um euch selbst. Wenn ihr das erkannt habt, habt ihr die beste Basis, faire Regelungen (für euer Kind!) zu schaffen. Der Kleinstadtlöwen-Blog nennt solch eine gelungene Trennungs-Familienbeziehung übrigens passend „getrennt gemeinsam erziehend“ statt alleinerziehend. Lasst diese Worte Programm werden!
6. Das Wohl des Kindes geht ALLEM vor!
Oben habe ich dargelegt, wie ein Kind automatisch nach einer Trennung die Verantwortung für die Verschmelzung der beiden Elternwelten übernehmen muss.
Eure Aufgabe ist es also, die Verantwortung abzufedern, so weit euch dies möglich ist. Lasst euer Kind in seiner Identitätsbildung nicht alleine. Ihr könnt vielleicht gleich, vielleicht irgendwann auch wieder Familienzeit einbauen? Wunderbar! Euer Kind wird es genießen, Zeit mit beiden Eltern zu teilen, sofern diese Zeit friedlich verläuft und der Fokus auf dem Kind liegt.
Merke: Dein Kind ist nicht dein Therapeut und auch nicht das Ebenbild des verhassten Ex-Partners! Regele die Beziehung zu diesem so friedlich und konstruktiv es geht, und nimm deinem Kind damit die Verantwortung, die Konflikte an eurer Stelle aushandeln zu müssen. Du beschützt dein Kind, dein Kind beschützt nicht dich!
Am Ende dürft ihr nur ein oberstes Ziel haben: Eurem Kind Schaden und Schmerz weitestgehend zu ersparen und auch als getrennte Eltern eine fruchtbare Basis für die seelische Entwicklung zu erhalten. Es geht nicht darum, wer Recht hat oder wer der Böse war – so verliert ihr bloß eure Ziele aus den Augen!
7. Die Paarbeziehung geht, die Elternbeziehung bleibt!
„Gemeinsames aktives Sorgerecht erfordert viel Kooperation zwischen den Eltern“ – immer noch. Auch nach einer Trennung. Die Hoffnung, dass Konflikte und Kommunikationsschwierigkeiten verfliegen, nur weil man keine Paarbeziehung mehr führt, ist ein Irrglaube.
Solange der andere Elternteil nicht komplett aus eurem Leben verschwunden oder verstorben ist, werdet ihr euch auseinandersetzen müssen – und das ist auch gut und richtig so. Schau hier, wie der Kleinstadtlöwen-Blog vom ersten gemeinsam-getrennten Weihnachten berichtet, das schön, aber auch anstrengend war.
„Eltern bleiben Eltern“, so heißt eine sehr empfehlenswerte Broschüre vom bmfsfj: „Sie gehen als Paar auseinander – aber Sie werden Ihr Leben lang Eltern bleiben“, dieser Titel ist Programm! Das ist eure Verantwortung, auch wenn ein Elternteil dieser versuchen mag zu entgehen. Am Ende bleiben beide ein Leben lang Eltern dieses Kindes.
Wenn dieses Eltern-Sein weiterhin aktiv gestaltet wird, führt nichts an mindestens einer grundlegenden Kommunikation miteinander vorbei. Sieh es als Chance: Euer Kind kann so weiterhin von eurer konstruktiven Kommunikation profitieren – ihr seid Vorbild und der Fels in der Brandung für eure Kinder.
8. Beziehungstrennung = räumliche Trennung?
Es ist ein Irrtum zu glauben, dass einem Kind eine intakte Familie suggeriert werden kann, wenn die Eltern weiter in einer Hausgemeinschaft oder Nachbarschaft leben bleiben. Die Nähe der Eltern zueinander bringt vielmehr eine Gefahr mit sich: Die Verantwortung zu entscheiden, bei wem es sich aufhält, lastet auf dem Kind! Es muss sich dabei täglich für die Trauer des Elternteils verantwortlich fühlen, von dem es gerade fortgeht, um eben zum anderen Elternteil zurückzukehren.
Eine Art WG mit dem Ex-Partner ist dann sinnvoll, wenn zwischen beiden eine freundschaftliche Beziehung herrscht und das Kind diese spürt.
Eindeutige räumliche Trennung kann auch für die getrennten Eltern sinnvoll sein. Mit Abstand können akute Konflikte erst einmal ausheilen und feste Besuchs- und Umgangsregelung oder -absprachen für das Kind schaffen Sicherheit für alle.
9. Seid liebevoll mit dem (Ex-)Partner und mit euch selbst!
Mal ehrlich (nachdem du dich natürlich erst einmal ausgeko*** hast), es gab Gründe, weshalb du mit dem Ex-Partner eine Beziehung eingegangen bist. Und erst Recht welche, weshalb ihr ein Kind oder sogar mehrere gezeugt habt.
Irgendwas ist und war da, was euch verbunden hat.
Erinnere dich zurück: Welche wunderbaren und zauberhaften Momente hattet ihr zusammen? Ich bin mir sicher, du wirst zumindest EINEN finden.
Mach dich nicht zum Sklaven deiner Wutgefühle. Sie mögen es erst mal leichter für dich machen und haben auch ihre Berechtigung. Wahres Glück auch für einen Neuanfang wirst du aber erst wieder finden, wenn du loslassen kannst. Deinen Ex-Partner freigeben und ihm verzeihen kannst.
Wenn du nun liebevoll deinem Ex-Partner gegenübertreten kannst, wirst du auch dir selbst wieder liebevoll begegnen können. Du trägst keine Schuld, du hast nicht versagt. Du darfst dich lieben. Und auch der andere ist auf seine Art liebenswert. Die positiven Gefühle, die du nun dir selbst und dem anderen gegenüber empfinden kannst, strahlst du aus und erfüllen auch das Herz deines Kindes!
Das ist deshalb auch enorm wichtig, weil du dein Kind sonst in die unangenehme Situation bringst, für eine der beiden Seiten Partei ergreifen zu müssen – oder gar das künftige Vertrauen in Männer/Frauen zu verlieren.
Wenn du das nicht sofort kannst, mach dir keine Gedanken, versuche einfach jeden Tag aufs Neue, die Liebe für dich und deine Umwelt in dein Herz strömen zu lassen. Irgendwann wird sie ihren Platz dort finden!
10. Bereut weder die Trennung noch die Beziehung
Wenn du und dein Partner euch trennt, fällt ggf. eine enge Bindung im Alltag des Kindes weg. Wenn diese bisher sehr präsent war, kann das erstmal alles auf den Kopf stellen und euch an eurer Entscheidung zweifeln lassen. Aber Kinder gewöhnen sich auch. Doch dazu brauchen sie eine klare Linie. Ständige Zweifel machen es nur noch schlimmer. Kinder brauchen Klarheit, Eltern, die sagen: „Das ist gut so. Und ich bin bei dir. Es ist schwer, ich weiß.“
Eine Lösung kann sein, dass die Eltern so weit wie möglich den Kontakt und auch ein gewisses Familienleben wahren – aber Vorsicht – versucht nicht, die bisherige Familiensituation zu mimen und dem Kind eine Beziehung vorzugaukeln, die es so nicht (mehr) gibt.
Die Antennen der Kleinen merken alles. Und wenn eure Darstellung nicht mit dem reell Wahrgenommenen des Kindes übereinstimmt, kann das dauerhaft mehr Schaden anrichten als wenn ihr mit offenen Karten spielt. Kinder lassen sich damit nicht hinter’s Licht führen, denn sie merken und spiegeln eure eigene Unsicherheit.
11. Ein Recht auf beide Eltern!
Diesen Punkt möchte ich nochmal unterstreichen: Euer Kind hat ein Recht auf beide Elternteile. Auch wenn es ganz unbemerkt geschieht, dass alte Paarkonflikte („immer noch genau so verantwortungslos!“, „und er will schon wieder den Termin verschieben, jetzt kann er das aber nicht mehr mit mir machen!“…) schnell dazu führen, dass man das andere Elternteil am liebsten aus dem eigenen Leben (und aus dem des Kindes) verbannen will – diese Konflikte sind aber NICHT die eures Kindes!
Ein befreundeter Therapeut sagte mir, man sollte dem Kind möglichst so lange den Zugang oder die Erinnerung an das andere Elternteil ermöglichen, bis das Kind selbst entscheidet, ob es den Kontakt möchte oder nicht.
Und wenn ich mit der Lebenswelt meines Ex-Partners nicht gut zurecht komme, so werde ich zum Wohle meines Kindes nun lernen müssen, auch andere Lebensrealitäten als die meine zu akzeptieren und vielleicht sogar wertzuschätzen. Dein Kind liebt beide Eltern so wie sie sind. Was denkst du, macht es mit ihm (und dem väterlichen Teil seiner Identität), wenn du ihm sagst, dass sein Vater ja verrückt sei und er dieses und jenes so schlecht mache…? Und was macht es mit deinem Kind, wenn du ihm zeigst: „Du darfst beide Eltern weiterhin ganz doll lieb haben, denn wir sind beide genau so richtig wie wir sind“?
12. Hol‘ dir Unterstützung
Zu guter Letzt: Bleib nicht allein! Damit dein Kind auch weiterhin von der Vielfalt menschlicher Beziehungen profitieren kann, auch dann, wenn ein Elternteil kaum noch präsent ist, – aber auch für dein eigenes Seelenwohl – kann es sinnvoll sein, noch mehr Anschluss an andere Menschen zu suchen. Das Leben in einer Hausgemeinschaft kann das sein, oder die Option in die Nähe der eigenen Familie zu ziehen. Vielleicht auch einfach regelmäßige Treffen mit guten Freunden und anderen Kindern oder der Austausch mit anderen Alleinerziehenden in entsprechenden Gruppen.
Lass dich von Stigmatisierungen nicht leiten, du bist stark und wunderbar! Und stark bist du auch oder sogar besonders, wenn du den Schritt wagst und dir Hilfe holst. Wenn du alleine erziehst, wirst du auch den kompletten Haushalt und die Organisation eures Lebens alleine bewerkstelligen müssen. Du hast das Recht auf Unterstützung, damit dein Kind nicht zusätzlich zur Trennung noch eine Mama mit Burnout verkraften muss. Damit wäre niemandem gedient!
Sprich von deinem Leid und deinen Wünschen, erleichtere deine Seele. Wenn du magst, hole dir jemanden dazu, der dich nicht nur neutral, sondern professionell in deinen Gefühlen begleiten kann. Eine Therapie kann u.U. auch für dein Kind infrage kommen und ihm helfen, das Geschehene zu verarbeiten. Eine Beratungsstelle kann euch eine erste Orientierung geben und dir den Schritt zur Hilfeannahme erleichtern.
Ich wünsche euch alles Gute!
Liebe dich selbst, schenke Liebe, und das Leben wird dir mit Liebe antworten!